„Die Theatertherapie ist eine handlungsorientierte, künstlerische Therapieform, die eine fruchtbare Verbindung zwischen der ursprünglichen Heilfunktion des Theaters und den Verfahren moderner Psycho- und Sozialtherapien herstellt“ (DGfT, Was ist Theatertherapie?). Der Prozess wird als kreativ beschrieben, in dem es schwerpunktmäßig um ressourcenorientiertes Arbeiten geht. Schon in der Antike wurde der heilende Aspekt des Theaters erkannt, und zwar sowohl in dem Spiel als solches als auch in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Erleben beim Zuschauen eines Theaterspiels. Das Theaterspielen und das Theateransehen, ist eine kulturelle Grundform in menschlichen Gesellschaften. Der Ursprung liegt in kultischen Praktiken, die in allen Kulturen zu finden sind.
Bei der Theatertherapie steht der Bezug zur Gegenwart und zur Handlungsfähigkeit im Vordergrund. Drei entscheidende Merkmale sind dabei die Katharsis, die Dramatische Realität und die ästhetische Distanzierung. Sinn des klassischen griechischen Theaters war die Katharsis, die Reinigung von den das Leben schädigenden/beeinträchtigenden Affekten. Nach Aristoteles findet diese dann statt, wenn existenzielle Fragen zugelassen werden und sichtbaren Ausdruck finden. So gesehen hat das Theater als solches schon das Potential einer heilenden Wirkung. Es bietet die Möglichkeit neue Handlungsweisen zu erkennen, auszuprobieren, zu reflektieren und in den Alltag zu übertragen. Die Dramatische Realität bietet einen symbolischen imaginativen Raum, in dem eigene Gefühle und innere Bilder sichtbar werden können. Grundlegende Fragen zur Existenz können in bzw. durch die Erfahrung innerhalb der Dramatischen Realität gestellt werden. Sie kann auf unterschiedliche Weise gestaltet werden. Sie kann sowohl Körperarbeit (Embodiment), das Gestalten von und Erzählen über die Welt im Außen (Projection), als auch das Rollenspiel und die Szenenarbeit (Role) beinhalten (Jennings, Sue, Embodiment-Projection-Role (EPR)). Die ästhetische Distanzierung, wie sie z. B. durch den Rollenschutz möglich ist, erlaubt der spielenden Person neben dem Erleben von Gefühlen und der Rolle auch eine Distanzierung von eventuell überwältigenden Gefühlen bzw. den tatsächlichen Alltagssituationen. Dieser Effekt kann noch durch projektive Techniken, wie dem Verwenden von Masken und Puppen oder auch der Arbeit mit Geschichten und Bildern, verstärkt werden. Im Spiel können alle Themen des Lebens einen Ausdruck finden. Existenzelle Fragen, wie z.B. nach Schuld, Angst und Verzweiflung, aber auch Sehnsucht werden hier möglich, ohne eine Bedrohung für das alltägliche Leben darzustellen. Die Existenz dieser Themen wird anerkannt und so ist eine Akzeptanz auch im Alltag möglich. Auf diesem Hintergrund wird sichtbar, dass Theatertherapie besonders geeignet ist, um innerpsychische Prozesse und soziale Systeme miteinander auszuloten, sie zu stabilisieren und so zur Heilung von psychischen Belastungen beizutragen.
Eingefahrene Verhaltensmuster können betrachtet und neue ausprobiert werden. Der Umgang mit Gefühlen, Nähe und Distanz, Macht und Ohnmacht, Selbstsicherheit und das Setzen von Grenzen kann geübt werden. Im Schutz der Rolle können elementare Gefühle, wie z. B. Wut, Angst, Freude und Trauer, erlebt werden, die im realen Leben oft nur schwer oder gar nicht möglich sind. Sie finden einen Ausdruck und werden körperlich erlebbar. Neue Handlungsmuster können erforscht und ausprobiert werden.